Aufgebaut auf dem Boden, bodenständig. Ein Text von Luis Pereyra

Immer habe ich mir vorgestellt, dass alles aus Erde gemacht wurde. Die Erde selbst, aber auch Gott erschuf den Menschen Frau aus Lehm. Sie die Frau, sie die Erde. Damit der Mensch Mann nicht alleine ist.

Alleine kann man diesen Tanz nicht tanzen, der für die Menschheit ein Geheimnis birgt, faszinierend ist, aufregend und spannend. Ein unergründliches Geheimnis. Was ist seine Magie?

Der Tango Argentino braucht wie jeder andere Paartanz ihn den Mann und sie die Frau. In Argentinien käme niemand auf die Idee, der führende und die Folgende zu sagen. Erstens folgt eine Frau nicht, Führen und Folgen schließen sich aus. Zweitens sind es Mann und Frau die tanzen, wobei er führt und sie sich führen lässt und diese Führung tanzt. Diese Rollen sind nur in ihrer klassischen Rolle zu belegen. Zu viele Symbole sind das Männliche, und das Weibliche.

Der „Ocho“ die wichtigste Figur der Frau lebt von ihren Beckenbewegungen, dem Runden, dem Schalenförmigen, dem die Führung aufnehmenden. Natürlich kann man „Bewegungen“ austauschen, Rollen vertauschen, Dinge anders machen. Man raubt dem Tango aber die empfangende Seele der Frau, und das gebende Wesen des Mannes. Wenn man den Tango Argentino der Emanzipation opfern würde, dann blieben leere Formen, ohne tiefen Sinn.

Afrikanische Erde hat rote Farbe, ob es die Farbe des Mannes ist? Oder der Frau? Bestimmt, was sie an Rot tragen, ist das Blut, fundamentales Element um Leben zu schaffen, Frohsinn und Elend.

Rot ist irgendwie auch die Tangofarbe geworden. Es ist alles ein Geheimnis, ein Mysterium, aber es existiert. Jeder tut sein Quäntchen Fantasie dazu, aber rot und schwarz, das ist für viele Synonym für Tango. Das Blut, die Nacht und der Tod. África ist vielleicht der Ort, wo Gott Mann und Frau erschaffen hat. Bestimmt aber die Musik und den Rhythmus. 

África schwarze Musik, die musikalische Wurzel der populären Musik, Tango Argentino ist hier keine Ausnahme.

Unser Tanz basiert darauf, in der Erde, wenn wir argentinischen Tango tanzen. Immer tanzen wir mit dem Gefühl Erdstaub zu streicheln, dieser Staub, der Vegetation ernährt, den Tieren Schutz bietet,  Spuren von barfüßigen Menschen aus unterschiedlichsten Regionen verflechten sich in Wüsten voller Staub und Hitze, das ist was wir tun, wenn wir tanzen, durch einsame Wüsten zu gehen.

Jede Kombination von Schritten, von Beinen die sich ineinander und miteinander verketten, verketten sich zu Jahrhunderten von Frauen und Männern die es schon nicht mehr gibt, diese Menschen wieder zum Leben erweckend, mit ihrer Weise zu gehen, sich zu bewegen, ihre Sicht auf Jahrzehnte und Jahrhunderte, bringt uns dem Beginn näher, der Wahrheit, dem puren, alleine in diesem Tun umarmt zu sein um diesen Tanz zu tanzen der ein Jahrhundert alt ist und TANGO heißt, ohne dass jemand weiß, wie dieser Tanz zu diesem Namen gekommen ist, noch was dieses Wort bedeutet. Welcher Afrikaner hat erstmals dieses Wort ausgesprochen, wie eine Vokabel das dem menschlichen Verstand unergründlich bleibt, ohne Klärung. Hat Gott mit diese sympathischen Musik gespielt? Mit diesem Tanz? Ich weiß nur, dass der Argentinische Tango, unser Tango Argentino gemacht ist aus trockener Erde, dort wo seine Figur gemalt steht, der OCHO, den eine Frau, irgendeine hinterlassen hat, gedruckt im Boden, vielleicht gar mit ihren nackten Füßen. Oder in ländlichen Alpargatas, den Bastschuhen.   Als der Partner mit seiner rechten Hand zu ihr gesprochen hat, in der Taille, wie ein alter Schriftsteller, in ihr, aus ihr heraus, über ihre Taille hinweg zum Boden eine 8 geschrieben hat.

Wieviel Mysterium zündet Dein Tanz Tango Argentino, wieviel Erde hat sich in Deinem Tanz angesammelt.

Von hier aus schreiben Nicole Nau y Luis Pereyra über ihren Tanz. Einmalige und unwiederholbare Geschichten, wo in jeder Bühne, auf all den Brettern der Theater  sie in ihr Herz schreiben, diese Fantasie über Erdinnenhöfe zu gleiten, die es seit Jahrzehnten nicht mehr gibt. Wieviel Ochos liegen heute vergraben unter Asphalt und Zement, die einst gezeichnet waren im Sand?

 

Ein Text von Luis Pereyra

Copyright: Nicole Nau & Luis Pereyra